Ausstellungen

GemeinschaftsAusstellung + Workshop Malerei / Druckgrafik

 

Ansprache Dr. Michael Becker

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie sehr herzlich zur Eröffnung dieser Gemeinschaftsausstellung mit künstlerischen Werken von Edith Naumann und Norbert Schmidt-Kittler.

Sie als Besucher erfahren eine enorme Bandbreite an technischen Spielarten rund um Malerei und Druckkunst. So bietet Ihnen Edith Naumann auf dem Gebiet der Druckgraphik solche der Radierung, des Holzschnittes sowie des Siebdruckes, Norbert Schmidt-Kittler versorgt Sie seinerseits aus seinem Fundus der Ölfarben- und Aquarell-Malerei sowie drucktechnischer Spezialitäten auf den Gebieten der Radierung und des Transferdruckes.

Spannend für Sie wird es zu erfahren, dass rund um diese Techniken am kommenden Wochenende sowie im Mai besondere Workshops angeboten werden, in denen Sie in Auswahl Ihre eigenen technischen Erfahrungen machen und individuell künstlerisch umsetzen dürfen.

Beiden Künstlern gemeinsam ist die Experimentierfreudigkeit mit Technik, Genre und Komposition. Eine einheitliche Linie werden Sie bei beiden hier nicht wirklich finden, dafür ist die experimentelle Triebkraft offensichtlich zu stark gewesen.

Aus diesem Grund sehe ich es als meine Aufgabe, einige Besonderheiten der beiden Künstler für Sie herauszuarbeiten.

Wenn wir uns einmal den Aquarellen von Norbert Schmidt-Kittler zuwenden wollen, so finden wir hier eine interessante Paarung von sowohl naiver Farbauftragsästhetik und anspruchsvollen kompositionsstrategischen Experimenten. Selten bis gar nicht wird unser Klischee verwässerter Farbverläufe bedient. Wenn Farben sich berühren sollen, dann durch Überlagerungen, selten durch echte materielle Vermischungen. Eine interessante Widersprüchlichkeit taucht in manchen Aquarellen auf: Farbe wird verlaufsfrei gebändigt, um sich dem Spiel eines flächigen Nebeneinanders zu widmen. Ansätze von Verteilungskompositionen als Aquarell anzulegen erweist sich in dieser Hinsicht als sehr ungewöhnlich.

In anderen Studien nutzt Norbert Schmidt-Kittler dagegen explizit das gestalterische Mittel der Überlagerung, um zum Teil fast schon irritierende bis schmerzliche Bewegungseffekte realisieren zu können. Der bewegte Körper wird hier oft zur Unterstützung des technischen Experimentes herangezogen. Aber auch abstraktere Motive, die zu floral anmutenden Flugobjekten mutieren, werden durch Überlagerungen erzeugt, die technisch, obgleich mit Ölfarbe angelegt, Aquarelleffekte zum Besten geben. Farbmedium, Motiv, Technik und Komposition werden in ihren kombinatorischen Möglichkeiten vielfältig experimentell umkreist. Der Betrachter gewinnt hierdurch Inspirationen zu einem befreiten Sehen und Handeln.

In den vielfältigen Werken von Edith Naumann, von denen ca. 90 % Unikate sind, ist ein ungebändigter künstlerischer Spieltrieb mit Material, Technik und Komposition spürbar. Wir erleben bei späteren Landschaftsbildern ungewöhnliche perspektivische Irritationen, da mehr das Spiel um Flächendialektik im Vordergrund zu stehen scheint als naturgetreue Abbildung. Aber auch in früheren Landschaftsmotiven dominieren eher Ansprüche der Planführung und Möglichkeiten des lakonischen Bildaufbaus als die Verpflichtung zu einem Realismus.

Gelegentlich gibt es dann sogar Ausflüge in die konkrete, sprich autonome, also nicht mehr nur abstrahierende gestalterische Vorgehensweise, durch die bildnerische Kräfte im Vordergrund ästhetischer Vermittlung stehen.

Edith Naumann beherrscht eine gestalterische Bandbreite, mal nüchtern konstruktiv, mal deutlich verspielter und dynamischer, ab und an finden aber auch Vermischungen aus statischen und dynamischen ästhetischen Werten statt. Mal erleben wir Irrationalismen perspektivischer Konstruktionen, mal gewinnen wir den Eindruck formästhetischer Collagen. Räumliche Kräfte werden nicht selten gegen die Schwerkraft gewendet und autonomisiert. Man bekommt den Eindruck, als profitiere die Künstlerin von ihrer technischen Vielseitigkeit, da ja jede Technik unterschiedliche formale Bezüge und Anmutungen ermöglicht.

Das führt mich zu der allgemeinen Erkenntnis, dass ein solides Handwerk neben dem künstlerischen Spiritus die wichtigste Grundlage für ein künstlerisches Arbeiten darstellt. Ideen und Möglichkeiten beginnen zu sprudeln, sobald das Handwerk die Quellen der Inspiration freilegen konnte. Kunst und Handwerk bedingen sich gegenseitig, sie gehen prozesshaft auseinander hervor.

Beide hier ausgestellten Künstler sind hervorragende Handwerker, von denen Sie sehr viel lernen können. Erweitern Sie Ihre künstlerischen Möglichkeiten, indem Sie sich technisch versiert weiterbilden.

Ansonsten wünsche ich Ihnen viel Freude mit den Werken und viele interessante Gespräche um Kunst und ihre handwerklichen Grundlagen. Vielen Dank!

 

 

 

 

Wolfgang Becker